Die Welt der Pilze: Der Gießkannenschimmel
So gut wie jeder kennt es. Ein komischer Geruch nach dem Öffnen der Jausendose, die man über die Ferien übersehen hat und ein befremdlicher Flaum: Schimmel. Dieser Artikel befasst sich mit Schimmel allgemein und insbesondere dem Gießkannenschimmel. Ausgewählte Mykotoxine, die von der Gattung Aspergillus produziert werden, werden auch behandelt.
Inhaltsverzeichnis
Definition: Schimmel
Die „Schimmelpilze“ stellen keine eigene taxonomische Ordnung dar. Im Allgemeinen bezeichnet man mit „Schimmel“ Pilzarten, die auf ihrem Substrat [z.B. Lebensmittel] watteartige Überzüge bilden. Der Begriff „Schimmel“ kommt aus dem althochdeutschen („scimbalag“) und bedeutet so viel wie „verderben“.
Zu den wichtigsten Schimmelpilzen zählen die Mucoraceen und die Aspergillaceen.
Die Aspergillaceen
Aspergillus sp. (Gießkannenschimmel)
Der wohl bekannteste Vertreter bei dem Ereignis mit der Jausendose ist der Gießkannenschimmel. Der Name „Gießkannenschimmel“ kommt daher, dass die Konidienträger [Spezialisierte Pilzhyphe, die die Konidien, eine spezialisierte Form von Sporen trägt] optisch unter dem Mikroskop Gießkannen ähneln. Die Konidienträger sind auch das, was in der großen Anzahl als Pelz z.B. auf dem Brot wahrgenommen wird. Die als Rasen oder Pelz wahrgenommene Struktur des Schimmels ist durch die Konidienträger bedingt.
Fortpflanzung
Bei dem Entstehen der Sporen wird zwischen endogener und exogener Sporenbildung unterschieden. Die endogene Sporenbildung tritt vorwiegend bei Pilzen der Gattung Zygomycota [Köpfchenschimmel] auf – hier bilden sich die Sporangiosporen im Inneren und sie werden alle auf einmal freigesetzt.
Die exogene Sporenbildung hingegen findet sich vorwiegend bei Pilzen der Gattung Ascomycota [Schlauchpilze], denen auch viele Arten der Aspergillaceen zuzuordnen sind. Bei dieser Form der Sporenentstehung werden die Sporen direkt an den Konidienträgern gebildet und einzelne Sporen werden an die Umgebung abgegeben. Ein weiterer mehr oder weniger bekannter Vertreter der Schlauchpilze ist Claviceps purpurea [Mutterkornpilz].
Der Name „Schlauchpilz“ kommt daher, dass diese Abteilung der Pilze sogenannte „Asci“ (Schläuche) als Fortpflanzungsorgane ausbildet. Der Ascus ist ein langgezogenes Behältnis in dem durch Reduktionsteilung Ascosporen [n, haploid] entstehen, welche die Verbreitungsform der Ascomyceten darstellen.
Die Fortpflanzung der Schimmelpilze erfolgt ungeschlechtlich.
Mykotoxine
Mykotoxine machen die Schimmelpilze erst richtig gefährlich. Als Mykotoxine werden niedermolekulare [Mykotoxine haben oft ein niedriges Molekulargewicht], toxische Sekundärmetabolite bezeichnet, die vorwiegend von Pilzen der Abteilung Ascomycota im Reich der Pilze gebildet werden. Markant für Mykotoxine ist ihre hohe Stabilität gegenüber Säuren und Hitze. Sie verursachen bereits in geringen Dosen schwere Vergiftungen.
Heute sind 300 chemisch identifizierte Mykotoxine bekannt, welche von 250 Schimmelpilzen gebildet werden. Die Gattungen, welche am häufigsten Mykotoxine produzieren sind: Aspergillus, Fusarium, Penicillium und Stachybotrys.
Der Schimmelpilz gibt Mykotoxine an sein Substrat als auch mykotoxinhaltige Sporen an die Umgebung ab. Man vermutet, dass Schimmelpilze diese Strategie nutzen, um das Substrat vor Fressfeinden zu schützen, damit dieses dem Pilz weiter zur Verfügung steht.
Auch die Lysergsäure, welche einen Grundstoff für die Synthese von Lysergsäurediethylamid (LSD) darstellt zählt zu den Mykotoxinen. Sie wird von dem Pilz Claviceps purpurea [Mutterkornpilz] produziert, der noch in einem eigenen Beitrag speziell behandelt wird.
Aflatoxine
Aflatoxin-haltige Sporen stehen mit Lungenerkrankungen bis hin zu Lungenkrebs in Verbindung. Der Pilz Aspergillus flavus produziert das Mykotoxin Aflatoxin B1. In Tierversuchen stellte sich heraus, dass dieses stark kanzerogen ist, so können bereits 10 µg/kg Körpergewicht Krebs hervorrufen. Die letale Dosis des Aflatoxins liegt bei 10 mg/kg Körpergewicht.
Das Aflatoxin B1 wird auch mit dem „Turkey-X-Disease“ in Verbindung gebracht. Dies war ein Ereignis bei dem in England im Jahr 1960 100.000 Truthähne bedingt durch Mykotoxine verstarben.
Die Aflatoxinproduktion steht im Zusammenhang mit der Temperatur. Je wärmer das Klima ist, desto mehr Stämme der Gattung Aspergillus bilden Mykotoxine. Dies spiegelt sich auch in den Krebsraten in Südostasien wider, wo 90% der Stämme Toxinbildner sind. In Afrika und auch Südostasien werden Aflatoxine ebenso für hohe Leberkrebsraten verantwortlich gemacht.
Weitere Faktoren für die Mykotoxinbildung sind die mikroklimatischen Bedingungen, der pH-Wert, die Temperatur und die Zusammensetzung des Substrats. Die Produktion von Aflatoxinen steht in einem starken Zusammenhang mit der Zink-Ionenkonzentration (Zn2+).
Die Ausgangsverbindungen der Aflatoxine sind selbst nicht krebserregend. Sie werden erst im menschlichen Körper in der Leber zu krebserregenden Metaboliten, zu sogenannten Epoxiden. Epoxide können an die DNA binden.
Weitere mögliche unangenehmen Begleiterscheinungen einer Aflatoxin-Intoxikation sind Störungen des zentralen Nervensystems und auch Blutungen der Niere und des Verdauungstrakts.
Besonders gefährdet für Aflatoxin-Kontaminationen sind fettreiche pflanzliche Produkte tropischer Länder (z.B. Erdnüsse oder Pistazien).
Ochratoxine
Ochratoxine werden vor allem von den Pilzen Aspergillus ochraceus und Penicillium citrinum als auch wenigen anderen Penicillium-Arten produziert.
Ochratoxin A wurde erstmals 1965 in Aspergillus ochraceus nachgewiesen. Ochratoxine sind resistent gegen Hitze, Säuren aber auch gegen Gärprozesse und Röstprozesse.
Ochratoxine wirken nephrotoxisch (nierenschädigend). Sie sind auch der Grund für die sogenannte „Balkan endemic nephropathy“ – dies ist eine Erkrankung, welche vor allem in Serbien, Kroatien und Rumänien auftritt und auf den regelmäßigen Verzehr von mit Ochratoxinen kontaminierten Lebensmitteln zurückzuführen ist. Ochratoxine können nicht abgebaut werden und reichern sich im Körper an. Die toxische Wirkung dieser beschränkt sich nicht rein auf Leberbeschwerden. So sind Ochratoxine auch mutagen, kanzerogen und teratogen (fruchtschädigend).
Getreide, Nüsse, Trockenobst, Weintrauben und Kaffeebohnen sind Lebensmittel, die besonders für Ochratoxin-Kontaminationen gefährdet sind – der Grenzwert für Ochratoxin-Kontaminationen in der EU liegt bei 3 µg/kg.
Bei solch gefährlichen Stoffen können wir uns auf jeden Fall glücklich schätzen, eine funktionierende Lebensmittelkontrolle zu haben und wir sollten mit Schimmelpilzen auch nicht leichtfertig umgehen.
Das war der erste Beitrag zu einem eher unliebsamen Kapitel der Welt der Pilze. Vielleicht konnte sich der ein oder andere überblicksmäßig etwas daraus mitnehmen. Für Anregungen in den Kommentaren bin ich offen – Bis bald ?
Da steckt viel Mühe und Recherche in diesem Bericht. Danke für den interessanten Beitrag 😊